Pflanze des Monats Juli 2020: Die Borstige Glockenblume

27. Juli 2020

Unsere Wälder waren früher nicht "dunkel und schwarz", sondern ähnelten keineswegs dem, was wir heute als geordneten "Stangenwald" kennen. Ganz im Gegenteil waren sie licht, nährstoffarm und artenreich. Dazwischen erstreckten sich Magerrasen und blütenreiche Flächen, die zahlreichen Arten einen Lebensraum ermöglichten, die wir heute nur noch aus wenigen Reservaten kennen.

 

Ein Beispiel dafür ist die Borstige Glockenblume (Campanula cervicaria). Das ist eine ganz ungewöhnliche Glockenblumenart mit dichten, kopfigen Blütenbüscheln. Sie wird bis zu einem Meter hoch.

Der ursprüngliche Lebensraum der Borstigen Glockenblume sind felsige, kalkige und lichte Wälder sowie versaumte Magerrasen. Solche Lebensräume gab es bis ins 19. Jahrhundert nicht nur auf der Schwäbischen Alb, sondern auch bei uns im Kraichgau.

Erst im 20. Jahrhundert kam dann die moderne Forstwirtschaft ins Spiel - das flächenmäßige Aufforsten mit viel zu dichten "Spargelwäldern", oft sogar mit standortsfremden Nadelbäumen. Und so sehen wir seit den 1950er Jahren einen rapiden Rückgang der Borstigen Glockenblume. Sie überlebte, oft zusammen mit dem Tausendgüldenkraut, noch auf einigen Kahlschlägen - hier war die Kahlschlagswirtschaft sogar zeitweise ein Vorteil. Die Eutrophierung ab den 1960er Jahren und das Zuwachsen mit Brennesseln und Brombeeren brachte schließlich die Wald-Lebensräume zusammen mit ihren Bewohnern an den Rand des Erlöschens.

Das letzte Refugium der Borstigen Glockenblume im Kraichgau lag südöstlich von Wössingen auf einem Kahlschlag. Hier hat der Verfasser sie noch Mitte der 1980er Jahre in wenigen Exemplaren gesehen. Damals hatte der lokale Naturschützer und Schmetterlingssammler, Hr. Laier, die Art in seinem Garten ausgesät und spendete einige Exemplare. Seit 40 Jahren hält sich diese Population im Garten des Verfassers - die letzten Überlebenden und Zeugen einer einst reichen Kalkwald-Fauna und Flora des Kraichgaus!

Diese überaus wertvolle, charakteristische und besondere Art steht in ganz Deutschland mittlerweile kurz vor dem Erlöschen. Sie ist aber im Garten mit vertretbarem Aufwand kultivierbar.

Die AGNUS plant, die Borstige Glockenblume wieder als Samenmaterial im Rahmen der "Bruchsaler Gartenliste" an Interessierte zu vergeben. Vielleicht ergibt sich wieder einmal eine Gelegenheit, sie an lichte Stellen der Kraichgauwälder, z. B. am Näherkopf, anzusiedeln?

(3.7.2020 MHa)