Heimische Blühmischungen sind besser für Schmetterlinge!

Von Michael Ochse

 

Der zwar seit über hundert Jahren bekannte, seit den 1960er Jahren in Fachkreisen verstärkt beklagte und nun seit 2015 in stärkerem Maße publik gewordene Rückgang einheimischer Insekten erregte schnell eine neue Diskussion, wie dem gegenzusteuern sei. Eine weit verbreitete, wenn nicht sogar die populärste Sofortmaßnahme ist die Anlage sogenannter "Blühstreifen". Hierbei wird durch Pflügen oder Fräsen des Oberbodens ein Keimbett geschaffen, und dann wird eine Samenmischung verschiedener ein- und mehrjähriger Pflanzen ausgebracht. Diese Idee fußt auf dem Sachverhalt, dass zahlreiche blütenbesuchende Insektengruppen, darunter Schmetterlinge, Nektar als Nahrung im Erwachsenenstadium benötigen. Auch wenn bei dieser Insektengruppe das ebenso wichtige Larvenstadium nicht notwendigerweise gefördert wird, so erhofft man sich doch, bedrohte Bestände damit stützen zu können. Dass es den Lebensraumtyp „Blühstreifen“ vegetationskundlich nicht gibt (siehe z. B. Ellenberg & Leuschner 1996) und somit dieses in dieser Form neu geschaffene Biotop auch möglicherweise keine Umkehr des Insektenrückgangs bewirken kann, wurde ebenfalls außer Acht gelassen. Hinzu kommt, dass man seit wenigen Jahren vor allem auf vorübergehend stillgelegten Landwirtschaftsflächen vermehrt Saatmischungen aus wenigen nicht-einheimischen Pflanzenarten ausbringt. Es besteht nun die Möglichkeit, dass diese schlechter von nektarsuchenden Schmetterlingen angenommen werden (Durka et al. 2019) und sich zudem gar nicht als geeignete Eiablagepflanzen für die Weibchen eignen.

Im Gegensatz dazu steht die Ausbringung von Saatmischungen aus heimischem, für den jeweiligen Standort geeignetem Material. Seit dem 2. März stellt das Bundesnaturschutzgesetz zwar das Ausbringen von Pflanzen, die im betreffenden Gebiet von Natur aus nicht vorkommen, außerhalb von Siedlungen, Kleingartenanlagen etc. unter eine Genehmigungspflicht. Die Land- und Forstwirtschaft sind hiervon aber ausgenommen, und die Anlage von Blühstreifen auf Landwirtschaftsflächen, beispielsweise im Zuge des „Greenings“ gemäß der EU-Agrarpolitik, zählt zur Landwirtschaft (BfN 2020). Die für Honigbienen wohl nützlichen, für die meisten heimischen Insekten aber weitgehend funktionslosen Mischungen aus Phacelia, Sonnenblumen, Buchweizen, Kornblumen-Zuchtformen etc. dürfen deshalb auch künftig ausgebracht werden.

Am 11. Juli 2020 besuchte der Autor ehemalige Ackerflächen nördlich von Neuleiningen am Sonnenberg (Landkreis Bad Dürkheim, Rheinland-Pfalz) im Naturraum Nördliches Oberrheintiefland, auf denen auf zwei aneinandergrenzenden Teilstücken unterschiedliche Pflanzen zur Blüte gelangt waren. Auf der einen Teilfläche (Probefläche 1, Abb. 1) fanden sich als häufigste, überwiegend einheimische Arten:

  • Gewöhnlicher Odermennig (Agrimonia eupatoria)
  • Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea)
  • Wilde Karde (Dipsacus fullonum)
  • Kugeldistel (Echinops spec.), Heimat Südeuropa, Osteuropa, Westasien
  • Feld-Mannstreu (Eryngium campestre)
  • Gewöhnliche Sichelmöhre (Falcaria vulgaris)
  • Echtes Labkraut (Galium verum)
  • Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum)
  • Gewöhnlicher Dost (Origanum vulgare)
  • Skabiose (Scabiosa columbaria)
  • Bunte Kronwicke (Securigera varia)
  • Gewöhnlicher Klettenkerbel (Torilis japonica)

 

Die Nachbarfläche dagegen war dominiert von nur wenigen, überwiegend bis ausschließlich exotischen Pflanzen (Abb. 2), die jedoch oft und weit verbreitet als Grundlage für Blühmischungen eingesetzt werden:

  • Echter Buchweizen (Fagopyrum esculentum), Heimat Zentral- bis Ostasien
  • Mauretanische Malve (Malva mauritiana), Heimat Iberische Halbinsel bis Italien und Algerien
  • Rainfarn-Phazelie (Phacelia tanacetifolia), Heimat Nordamerika
  • Weißer Senf (Sinapis alba), Heimat Mittelmeerraum

Bei einem 90-minütigen Begang der beiden auf Tertiärkalk gelegenen Flächen bei sonnigem Wetter fiel sofort der Unterschied bei der Anzahl der beobachteten Schmetterlinge auf. Während auf der Blühfläche mit vorwiegend einheimischen Pflanzen 21 Schmetterlingsarten beim Blütenbesuch beobachtet wurden, gelang auf der anderen, exotisch bepflanzten Fläche nur die Beobachtung von drei Arten; dies waren die beiden kommunen Kohlweißlingsarten und die erst seit wenigen Jahren wieder in der Pfalz festgestellte Malveneule. Auf der artenreicheren Fläche wurden neben anderen Arten Kardeneule, Kleiner Perlmutterfalter und Kleiner Feuerfalter festgestellt.

Diese Momentaufnahme erhebt nun nicht den Anspruch, eine quantitativ über einen längeren Zeitraum erhobene Studie ersetzen zu können. Sie zeigt jedoch sehr eindrucksvoll bereits qualitativ einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Samenmischungen und unterstreicht durchaus, dass regionales Saatgut im Zusammenhang mit dem Schutz von Schmetterlingen verwendet werden sollte.

 

Literatur:

Bundesamt für Naturschutz (BfN, 2020): Ausbringen von gebietseigenen Gehölzen und gebietseigenem Saatgut in der freien Natur ab dem 2. März 2020. - www.bfn.de/themen/artenschutz/gefaehrdung-bewertung-manage-ment/gebietseigene-herkuenfte.html

Ellenberg, H. & Leuschner, C. (1996): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen, 6. Auflage. – Stuttgart (Ulmer).

Durka, W., Bossdorf, O., Bucharova, A., Frenzel, M., Hermann, J.-M., Hölzel, N., Kollmann, J. & Michalski, S. G. (2019): Regionales Saatgut von Wiesenpflanzen: genetische Unterschiede, regionale Anpassung und Interaktion mit Insekten. – Natur und Landschaft 94(4): 146–153.

 

 

Verfasser und Photos: Michael Ochse, Weisenheim am Berg

(Artikel ursprünglich erschienen im Pollichia-Kurier, Jg. 37, Heft 2, 2021 und mit freundlicher Genehmigung von Autor und Herausgeber hier abgedruckt.)