Siedlungen, Brachland, Gärten, Industriegebiete, Bahnhöfe

In unserer ausgeräumten Landschaft gewinnen Siedlun­gen, Gärten und Wege zunehmende Bedeu­tung als Refugien für viele Arten. Aber auch hier hat es zahlreiche Rückgänge gegeben. Die "klassi­schen" Gänse­an­gerpflanzen sind kaum noch zu fin­den (s. auch "Schlammbiotope"). Eine früher auf allen Dorfwegen häu­fige Art wie die Wegmalve (Malva neglecta) ist heute selten gewor­den.

 

Schutt‑ und Ruderalfluren, Wegraine

Sogenannte "Ruderalfluren" (der Fachausdruck für "Brachland") sind in der zivilisationsgeprägten Land­schaft überall zu finden: an Äckern, auf Wegen, im Baugebiet, auf Industriehöfen, auf abgelagertem Mut­terböden und anderem Abraum u.v.a. Meistens sind Ruderalfluren recht nährstoffreich. Die Flora der Ruderalfluren ist daher verwandt zu den Gärten und Äckern. Im Gegensatz zu den Gärten kommen aber auch große Arten vor, die hier nicht sofort wieder herausgerissen bzw. abgemäht wer­den. Alle Arten sind schnellwüchsig und besitzen ei­ne hohe Samenproduktion und damit große Ver­brei­tungsgeschwindigkeit. Die meisten Arten der Ruderalfluren sind im Gebiet noch wenig oder gar nicht ge­fährdet, wenn es auch einige Seltenheiten gibt.

Typische Pflanzen der Ruderalfluren stammen z. B. aus den Familien der Chenopodiaceae (Melden, Atriplex, und Gänsefuß, Chenopodium), Solanaceae (Nachtschatten, Solanum) oder Amaranthaceae (Fuchsschwanz, Amaranthus). Nicht verwunderlich ist, dass es darunter auch zahlreiche Neophyten gibt, die sich von Häfen und Bahnhöfen aus sehr schnell ausbreiten können. Manche dieser Arten waren nur wenige Jahrzehnte in Baden-Württemberg oder bei uns heimisch; die Populationen sind mittlerweile wie­der zusammengebrochen. Andere Arten sind nur wenige Male als Adventivarten aufgetaucht.

Selten sind mittlerweile einige Spezialisten der sandigen Ruderalfluren (z. B. Guter Heinrich, Chenopo­dium bonus-henricus) oder die salz- und schlick­tole­ranten Gänse­anger­pflanzen (s. Kap. 2).

Ein Spezialfall der Ruderalarten sind Gräser, deren Samen im Vogelfutter enthalten sind, und die immer wieder einmal an Müllplätzen oder Komposthäufen kurzfristig auftauchen (z. B. Kanarengras, Phalaris canariensis, oder Kolbenhirse, Setaria italica).

 

 

 

Gärten und Kleingärten

Diese Biotope anthropogener Prägung sind überall verbreitet. Falls sie nur extensiv genutzt werden und der Chemikalieneinsatz sich in Grenzen hält, bieten sie Refugien für eine überraschende Vielfalt (auch seltener) Pflanzen. Viele Pflanzen dieser Biotope stammen ursprünglich aus Äckern und sind bei den Gartenbesitzern äu­ßerst unbe­liebt, weil sie in einer er­staunlichen Ge­schwindigkeit offenliegenden Boden besiedeln - die möglichst schnelle Produktion von möglichst vielen Samen ist die Überlebensstrategie dieser Arten. Welcher Garten­be­sitzer hätte nicht schon ver­sucht, Knopfkraut (Galinsoga), Greiskraut (Sene­cio vulga­ris) oder Garten­wolfsmilch (Euphorbia peplus) "ohne Chemie" auszurotten?

 

 

Industriegebiete und Bahnhöfe

Die besondere Bedeutung der Bahnhöfe und man­cher Industriehöfe liegt in ihrer Schotterflora. Außerdem kom­men hier viele Ruderalarten vor. Auf Bahnhöfen werden immer wieder Adventivarten eingeschleppt. So sind vom Bahnhof Bruchsal allein 5 oder 6 Ad­ventivarten bekannt, die nur hier beobachtet wur­den (z. B. die Spitzkletten, Xanthium).