Warum Stadtgrün unverzichtbar ist

(und in der Stadt Bruchsal weitgehend zerstört wurde)

 

Unter "Stadtgrün" sind alle in der Stadt wachsenden, gepflegten und ungepflegten Pflanzen gemeint. Dazu gehören insbesondere die Bäume in Alleen, in Parks und in Nutz- und Vorgärten, alle Hecken, Nutz- und Zierpflanzen in Gärten und auf Brachflächen, ebenso die Pflanzen des Fassadengrüns und der begrünten Dachflächen sowie die Pflanzen in den Blumenkästen an Fenstern und Balkonen.

 

 

Bäume und Pflanzen liefern Sauerstoff an die Luft

 

Die Photosynthese ist eine der wichtigsten chemischen Reaktion in der Natur. Sie findet auf der Oberfläche der Blätter der Bäume und aller Grünpflanzen statt. Dabei wird aus dem in der Luft enthaltenen Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser mit Hilfe der Energie des Sonnenlichts Traubenzucker (Glucose) erzeugt. Die so erzeugte Glucose ist der Ausgangsstoff, aus dem die Pflanzen ihre weiteren Baustoffe wie Zellulose, Stärke und Fette herstellen. Als Nebenprodukt wird bei der Photosynthese Sauerstoff produziert, der an die umgebende Luft abgegeben wird. Der Sauerstoff ist bei diesem Prozess zwar nur ein "Abfallprodukt", aber wichtig für die Menschen und Tiere, die es zum Atmen brauchen.

 

 

Bäume und Pflanzen vermindern den Treibhauseffekt und damit den Klimawandel

Seit der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhundert nimmt der CO2-Gehalt in der Luft stetig zu, um fast 50% in den letzten 150 Jahren. Verstärkt wird dieser Effekt durch die zunehmende Rodung der Wälder auf der Erde. Je höher der CO2-Gehalt der Atmosphäre wird, desto größer ist der Treibhauseffekt. Die Menschheit hat es nicht geschafft, die jährliche Zunahme des CO2-Gehalts in der Atmosphäre zu verringern. Im Gegenteil, trotz aller Bemühungen nimmt er weiter zu. Seit 1960 hat sich die jährliche Zunahme verdreifacht. Beim Wachstum der Pflanzen wird durch die Photosynthese CO2 aus der Luft gebunden und damit der Treibhauseffekt abgeschwächt. Die Pflanzung von Bäumen und Pflege des Stadtgrüns sind so ein Beitrag, den Klimawandel zu bremsen.

Bäume als Schattenspender

 

Schatten ist nicht gleich Schatten. An heißen Sommertagen setzt sich der Mensch lieber in den Schatten eines Baumes als in den eines Sonnenschirms. Warum bevorzugt er unbewusst den Schatten von Bäumen? Die Erklärung ist einfach. Im Schatten des Baumes ist die Temperatur der Luft einige Grad niedriger als unter dem Sonnenschirm. Die Ursache dafür ist die Verdunstung von Wasser über die Blätter der Bäume, wie nachfolgend genauer erklärt wird.

 

Bäume als Klimaanlage

 

Bäume verdunsten große Wassermengen. Eine ausgewachsene Buche oder Platane kann an einem heißen Sommertag um die 400 Liter Wasser über ihre Blätter verdunsten. Dieser Vorgang, von den Biologen "Transpiration" genannt, läuft folgendermaßen ab: Die Pflanzen brauchen zum Aufbau ihres Körpers Nährstoffe, z.B. Kali-, Phosphor- und sonstige Nährsalze, die sie aus dem Boden aufnehmen. Für die Aufnahme und den Transport ist Wasser nötig, denn die Nährsalze können nicht in fester, sondern nur in gelöster Form durch die Leitgefäße zu den Blättern transportiert werden. Zudem ist, wie schon erklärt, zur Photosynthese Wasser nötig. Der Aufstieg zu den Blättern, in denen die Photosynthese stattfindet, erfolgt durch die Kapillarwirkung in den engen Leitgefäßen, ähnlich wie in einem Schwamm das Wasser nach oben steigt (Kapillareffekt). Durch die Spaltöffnungen auf der Unterseite der Blätter verdampft das nicht mehr benötigte Wasser. Dabei sinkt die Temperatur der Luft. Bei hohen Sommertemperaturen wirken Bäume also ähnlich wie eine Klimaanlage.

 

Bäume wirken als Staubfilter und reinigen die Luft

 

Bäume (und alle anderen Pflanzen mit vielen Blättern und Fassadengrün wie Efeu, Wilder Wein etc.) wirken wie ein Filter und reinigen die Luft. Durch die Äste und Zweige mit ihrer enormen Anzahl an Blättern (Blattfläche eines ausgewachsenen Baumes ca. 1600 m2) wird die Luftbewegung im Baum gebremst, und die in der Luft schwebenden, mitbewegten Staubkörner und anderen Partikel sinken nach unten, lagern sich auf den Blättern ab und bleiben dort liegen. Beim nächsten Regen werden die Staubpartikel vom Regenwasser abgewaschen und zum Boden gespült. Ein ausgewachsener Baum kann an einem Tag bis zu einer Tonne Staub aus der Luft filtrieren.

Bäume als Erosionsschutz, Wasserspeicher und Luftbefeuchter

 

Bei Starkregen vermindern die Bäume die Bodenerosion durch ihr Wurzelgeflecht, welches den Boden festhält. Insbesondere können die Wurzeln durch ihre bodenstabilisierende Wirkung erosionsgefährdete Hänge fixieren. Bei Regen wird Wasser in den Poren des Bodens gespeichert. Waldböden vermögen, ähnlich wie ein Schwamm, besonders viel Wasser festzuhalten. Sie wirken deshalb wie ein Wasserspeicher.

Die Stadtluft ist die meiste Zeit zu trocken. Stadtbäume können zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit beitragen. An einem sonnigen Tag verdunstet, wie oben beschrieben, ein einzelner Straßenbaum bis zu 400 Liter Wasser. Dadurch erhöht sich die Luftfeuchtigkeit im Schattenbereich seiner Krone um rund 10 Prozent. Weil das Wasser beim Verdunsten Wärme verbraucht, kühlt der Baum gleichzeitig die Luft in seiner Umgebung um bis zu drei Grad ab. Deshalb bilden Parks und Gärten im Sommer regelrechte „Kälteinseln“ im heißen Asphaltdschungel.

 

Lärmschutz durch Begrünung

 

An großen, glatten Flächen, wie sie Hauswände darstellen, wird der Schall gut reflektiert. Durch Fassadenbegrünung kann die Reflexion der Schallwellen vermindert werden. Ein Teil der Energie des Schalls wird dadurch absorbiert, wodurch ein schalldämpfender Effekt eintritt. Ähnlich wird in Baumkronen der Schall etwas gedämpft.

 

Einheimische Bäume und Hecken sind Lebensraum für Vögel und viele Insektenarten

 

Wir erleben zur Zeit das größte Massensterben und die größte Ausrottung von Lebewesen in der Erdgeschichte. Hauptursache dafür, ist die Zerstörung der Lebensräume dieser Arten durch den Menschen. Dies geschieht durch immer größere Monokulturen, Pestizideinsatz, Überdüngung, Flächenverbrauch durch Siedlungen und Verkehrswege, Umwandlung von Vorgärten in Parkplätze oder scheinbar pflegeleichte Stein- oder Schotterbeete, Bepflanzung mit exotischen, fremden Gewächsen anstatt einheimischer. Ein gutes Beispiel dafür ist der Vergleich zwischen der Eiche als eiheimischer Baum und der Robinie als fremder Baum, der vor ca. 200 Jahren aus Amerika eingeführt wurde. Während die Robinie von zwei einheimischen Schmetterlingsarten besucht wird, sind es bei der Eiche 23 Schmetterlingsarten.

 

Positiver Einfluss auf die Gesundheit

 

Stadtgrün hat eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden der Bewohner. Diese Erkenntnis ist wissenschaftlich erwiesen und zeigt sich in einem größerem Erholungswert und schnellerem Stressabbau im Grünen. Untersuchungen haben sogar ergeben, dass Heilungsprozesse schneller fortschreiten, wenn Patienten sich in einem grünen Umfeld befinden. Dieser Prozess ist sogar messbar. So ist nach Operationen die Verweildauer in der Klinik, wie Untersuchungen in Amerika ergeben haben, durchschnittlich um einen Tag kürzer, wenn sich der Patient im Grünen aufhält. Dieser positive Effekt zeigt sich sogar, wenn die Patienten vom Krankenzimmer aus die Sicht auf einen grünen Baum vor dem Fenster haben.

Grünflächen, Bäume und Parks galten lange als schmückendes Beiwerk in der Stadt. Ohne eigene Funktion. Ihr Vorhandensein war schön, wurde aber als entbehrlich angesehen.

Heute werden sie infolge ihrer vielen positiven Wirkungen auch von den Stadtplanern als dringend nötig erkannt. In manchen großen Städten wurden oder werden diese Erkenntnisse bereits realisiert. Zum Beispiel in Singapur: konsequente Begrünung selbst von Hochhäusern, oder Paris: Umwandlung der Stadtautobahnen entlang der Seine in Stadterholungsgebiet.

 

(1. 11. 2020, Alois Schies, AG Stadtgrün der AGNUS)