Pflanze des Monats Oktober 2020: Der Tabakwürger (Phelipanche ramosa)

28. September 2020

Vollständig parasitische Pflanzen, die auf Chlorophyll verzichten und die Wirtspflanzen anzapfen, gibt es in unserer Flora nur sehr wenige. Aber selbst diese verursachen für ihre Wirte normalerweise wenig Probleme. Und nur ganz wenige sind für die Wirte wirklich problematisch und wachsen auf kommerziellen Nutzpflanzen - dazu gehört der "Tabakwürger".

 

Wenn man an den wenigen noch verbliebenen Tabakfeldern in der Oberrheinebene vorbeifährt, geschieht es ganz selten, dass man im einheitlich großen Meer der Pflanzen richtige "Löcher" entdeckt. Hier sind die Pflanzen kümmerlich, blassgrün und blühen nicht mehr. An solchen Stellen lohnt es sich, auszusteigen, denn man kann Zeuge eines selten gewordenen Naturschauspiels sein: die Blüte des Tabakwürgers.

Der Tabakwürger (Phelipanche ramosa) gehört zu den Sommerwurzgewächsen. Die Mitglieder praktisch der ganzen Familie zapfen ihre Wirtspflanzen über Saugwurzeln an. Einige Gattungen (z. B. Klappertopf oder Augentrost) besitzen noch eigenes Chlorophyll, andere wie die Sommerwurz-Arten (Orobanche und Phelipanche) sind Vollparasiten. Sie holen sich ihre gesamte Nährstoffversorgung aus dem Wirt und brauchen daher kein Chlorophyll mehr.

Die meisten unserer Sommerwurz-Arten sind seltene Erscheinungen der Magerrasen, und ihre Blüte wird von Naturfreunden immer als große Besonderheit bestaunt. Nicht so der Tabakwürger. Er lebt auf verschiedenen Nutzpflanzen, vor allem Tabak, seltener auch Hanf oder anderen. Wenn er in einem Tabakfeld vorkommt, können fast alle Tabakpflanzen parasitiert sein, und dann ist die Tabakernte tatsächlich in Gefahr. Eine wirkliche chemische Bekämpfungsmöglichkeit gibt es nicht, und als Abhilfe gilt nur die Rotation der Erntepflanzen.

Der Tabakwürger blüht in kleinen, dichten, bis 20 cm hohen Bündeln von Blütenstängeln am Fuß der Tabakpflanzen. Die Stängel sind gelblich, die Blüten weiß oder hellviolett-bläulich. Er gilt im Gegensatz zum Tabak selber als eine alteinheimische Pflanze, die früher am Mittelmeer an anderen Wildpflanzen lebte und erst nach Einführung des Tabaks in der Altwelt zum Schädling an diesem mutierte.

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war er ein echtes Problem für die damals weit verbreiteten Tabakkulturen der Rheinebene. Erst ab 1970 nahm der Tabakanbau dramatisch ab, und genauso die Bestände des Tabakwürgers. Heutzutage ist es für Naturkundler ein echtes Ereignis, ihn einmal zu sehen. Auf Bruchsaler Gemarkung gibt es praktisch keinen Tabakanbau mehr, und die letzten Sichtungen des Tabakwürgers liegen schon 15 Jahre zurück (um 2005 nahe der Mehrzweckhalle Büchenau). Deswegen ist der Tabakwürger auch von einem gefürchteten Schädling zu einer Art der Roten Liste geworden und gilt als "stark gefährdet".  Ob er im Landkreis noch vorkommt, ist unbekannt. Bei Offenburg konnte der Verfasser 2020 seit langem einmal wieder ein Tabakfeld mit dem Tabakwürger sehen. Die Tabakbauern werden vermutlich kein Verständnis für die Faszination des Naturfreunds gehabt haben...

(30.9.2020 MHa)