Von der Nordseeküste auf den Autobahnmittelstreifen: das Dänische Löffelkraut

04. April 2021

Küstenpflanzen können nur deswegen an der Küste wachsen, weil sie gegen Salz und Mineralien aller Art tolerant sind. Das ermöglicht ihnen neuerdings einen ganz anderen Lebensraum: Straßenränder.

 

Wenn man Anfang April vom B-35-Kleeblatt an der Autobahn in Richtung Bruchsal fährt und das Auge (kurz!) auf den Mittelstreifen richtet, dann fällt ein "Schleier" aus winzigen weißen Blüten am Boden auf, den es erst seit einigen Jahren dort gibt.

Das sind die an den Boden angedrückten Pflanzen des Dänischen Löffelkrauts (Cochlearia danica). Dieser weißblühende Kreuzblütler wächst liegend und formt Tufte mit 10-20 cm Durchmesser und zahlreichen Blüten. So können sich meterlange, mattenähnliche Bestände bilden, die auch bei schneller Fahrt und ohne große Mühe durch botanisch Interessierte "kartiert" werden können.

Diese Art stammt eigentlich von den Nord- und Ostseeküsten, wo sie auf Salzwiesen wächst. Seit rund 20 Jahren expandiert sie rasant entlang der Autobahnen und insbesondere auf den Autobahmittelstreifen. Die salz- und mineraltolerante Art kommt mit den Extrembedingungen direkt am Asphaltrand bestens zurecht. Seit wenigen Jahren ist sie von Norden her kommend auch in Bruchsal eingetroffen und bereichert unsere Natur. Für Bruchsal handelt es sich um einen Neophyten (Neubürger), aber auf ganz Deutschland bezogen ist sie eine heimische Art.

Das Dänische Löffelkraut teilt sich diesen Extrem-Lebensraum mit dem Klebrigen Alant (Dittrichia graveolens), der vom Mittelmeer her kommend ebenfalls eingewandert ist. Im Gegensatz zum Dänischen Löffelkraut kann der Klebrige Alant aber auch Schlackenhalden und Industriebrachen besiedeln.

Noch weitere Küstenarten haben sich in den letzten Jahrzehnten als "Autobahnwanderer" auf die Reise gemacht, neben dem Dänischen Löffelkraut auch Strand-Wegerich (Plantago maritima) und Krähenfuß-Wegerich (Plantago coronopus). Auch andere Arten fallen durch plötzliche Ausbreitung auf den Mittelstreifen auf, z. B. Färber-Resede (Reseda luteola), Verschiedensamige Melde (Atriplex micrantha) und neuerdings Garten-Ampfer (Rumex patientia) und Schierling (Conium maculatum). Nach explosiver Ausbreitung können sie später wieder verschwinden.

Unklar bleibt, warum sich die meisten dieser Arten erst jetzt "auf die Reise" gemacht haben und nicht schon seit Jahrzehnten. Veränderte Mahdregime und weniger Unkrautbekämpfung könnten eine Rolle gespielt haben. Der Gewöhnliche Salzschwaden (Puccinellia distans), ein Salzgras, war quasi der "Vorreiter" und breitete sich an den Land- und Bundesstraßen schon vor Jahrzehnten in großer Zahl aus. Nachdem das Salzstreuen fast eingestellt wurde, verschwand er allerdings fast überall wieder.

In der Zwischenzeit sollten wir uns an diesen Neubürgern unserer Flora erfreuen, die wegen ihrer Spezialisierung auf extreme Lebensräume keine anderen heimischen Arten gefährden. Leider bieten sie allerdings Insekten und anderen Tieren nur wenig Nahrung, denn direkt an einem Straßenrand sind die Bedingungen für fast alle tierischen Gäste zu extrem.

(4.4.2021 MHa)