AGNUS fordert Ende der rückwärtsgerichteten Forstpolitik in Bruchsals Wäldern

24. Mai 2021
So sollte ein ökologisch wertvoller Wald der Zukunft auf der Gemarkung aussehen: licht, mit artenreicher Krautschicht, nur aus heimischen Arten - und gleichzeitig attraktiv für die Naherholung.

Stellungnahme der AGNUS zum Zwischenbericht des Forsteinrichtungswerks Bruchsal

 

„Zeder & Co. gehört die Zukunft im Wald“?
Nein: Dem Primat der Ökologie gehört die Zukunft unseres Waldes!

Stellungnahme der anerkannten Naturschutzverbände (AGNUS Bruchsal und Landesnaturschutzverband - Arbeitskreis Karlsruhe) zum Zwischenbericht des Forsteinrichtungswerks Bruchsal

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den BNN vom 15.4.2021 fasste die Forstverwaltung ihre Politik für die nächsten Jahrzehnte unter der zitierten Überschrift „Zeder & Co. gehört die Zukunft im Wald“ bzw. „Forst setzt ... auf Neupflanzung von Exoten“ zusammen. Sehr plakativ wird dadurch eine gefährlich falsche Zielsetzung beschrieben, bei deren Realisierung wir noch Jahrzehnte unter den Folgen leiden müssten.
Nachdem unsere Natur außerhalb des Waldes durch überhandnehmenden Siedlungsbau, Versiegelung, Flurbereinigung und intensivste Landwirtschaft katastrophale Einbrüche hinnehmen musste und das Vogel-, Insekten- und Ackerwildkrautsterben bereits stattgefunden hat, ist es der Ökologie außerhalb des Waldes nicht mehr möglich, stabil zu überleben. Daher richtet sich jetzt der Fokus auf den letzten verbleibenden großen Lebensraum der Gemarkung, den Wald („Forst“).
Wir erkennen an, dass die Forstpolitik in den letzten Jahren gewisse Fortschritte gemacht hat und besonders der für den Bruchsaler Stadtwald zuständige Förster, Herr Durst, sich nach Kräften bemüht, auch die Ökologie im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten zu berücksichtigen. Restriktive Vorgaben in der Landesforstpolitik und bürokratische Hemmnisse machen es allen Beteiligten, sowohl im Staats- als auch im Stadtwald, unmöglich, in adäquater Weise zu reagieren und den schon lange notwendigen Rückbau des Forstbetriebs auf neue ökologische Ziele zu beschleunigen. Statt dessen werden die Fehler der Vergangenheit nicht beseitigt und neue Fehler begangen, die uns noch Jahrzehnte beschäftigen werden.
Das Grundproblem des Forsteinrichtungswerkes besteht darin, dass es aufgrund seines Aufstellungstermines (2015) noch nicht die katastrophalen ökologischen Schäden berücksichtigen konnte, die sich in den letzten Jahren (2018, 2019 und 2020) abgezeichnet haben.  Die deutlich sichtbaren Trockenschäden lassen eine Verwirklichung der im Forsteinrichtungswerk geplanten Wald-Entwicklungsziele (= Holzproduktion) nicht mehr zu. Das senkt die Ertragserwartungen und zwingt gleichzeitig zu einem Umbau des Ökosystems Wald. Deshalb ist es nach unserer Auffassung erforderlich, nicht nur eine Zwischenbilanz „Forsteinrichtungswerk“ zu ziehen, sondern unverzüglich eine Neuorientierung der Waldentwicklungs- und Waldbewirtschaftsziele in Gang zu setzen.
Die Rolle des Waldes für Ökologie und Soziales (Erholungsraum für die Bevölkerung!) muss weitaus wichtiger als die Holzproduktion werden. Daraus ergeben sich automatisch Ziele, die im folgenden ausgeführt werden.

Der Wald ist langlebig, und wir leiden heute unter falschen Vorgaben der letzten Jahrzehnte. Berücksichtigen
müssen wir daher Fehler der Vergangenheit, die sich heute noch auswirken:

  • Insbesondere in den Altersklassen 3 und 4 besitzt der Bruchsaler Wald einen völlig überzogenen Bestand an Nadelholz (vor allem Douglasien und Fichten). Diese Bestände haben keine ökologische Wertigkeit und sind allenfalls für die Holzproduktion geeignet.
  • Die auch von der Forstverwaltung zugegebene „Alterslücke“ trifft uns besonders bei den Eichen. Hier gibt es nur wenige sehr alte und teilweise abgängige Bäume mit entsprechender Insekten- und Vogelfauna sowie recht viele Jungbestände.
  • Noch immer fehlendes Totholz, auch wenn es lokal Fortschritte gibt.
  • Viel zu dichte Pflanzungen ohne Lichtraum für Sträucher, Kräuter und damit für Insekten und Vögel. Besonders gravierend bei den Douglasienbeständen der Altersklassen 2-4.

Forderungen zu sofortigem Handeln:

  • Grundsätzliches neues Ziel: Umbau des gesamten Bruchsaler Stadtwalds in einen artenreichen, lichten Laubwald mit gemischter Altersstruktur.
  • Konsequentes Primat der ökologischen und sozialen Ziele über die Holzproduktion.
  • An wuchsschwachen und geschädigten Standorten keine Neupflanzung standortfremder Arten, sondern Akzeptanz von lichten Beständen. Hiermit schaffen wir einen nicht nur optisch schöneren Wald (Erholungsfunktion!), sondern auch höhere Diversität in der Strauch- und Krautschicht.
  • Die Bruchsaler Stadtverwaltung und der Gemeinderat müssen dadurch entstehende monetäre Defizite akzeptieren.
  • Keine weiteren Pflanzungen von Nadelholz, insbesondere keine Douglasien, bzw. keine weitere Erhöhungen des Nadelholzanteils.
  • Keine Pflanzungen von „standortsfremden Laubbäumen“.
  • Rück- und Unterbau der in den 1980er und 1990er Jahren gegen die Ziele des damaligen Forsteinrichtungswerk gepflanzten Douglasien- und Fichtenbestände (v. a. im Heidelsheimer Wald):
  • Förderung heimischer Baumarten (z. B. Hainbuche).
  • Extensive Waldnutzung (Schonwald etc.) auf mindestens 50 % der Fläche statt Stillegung auf wenigen (5) Prozent.
  • Bei forstlichen Maßnahmen schonender Maschineneinsatz, keine Vollernter.
  • Offenlegung der Altbaumbestände (insbesondere Alteichen) und detaillierte Schutzkonzepte.
  • Konsequente Bejagung der überhandnehmenden Wildschweinbestände, insbesondere in der Rheinebene.
  • Kein Bau einer Güterbahntrasse durch wertvolle Waldbestände (Alteichen!) zwischen Büchenau und Untergrombach.
  • Einwirken der Stadtverwaltung Bruchsal auf das Landratsamt und die FörsterInnen im Staatswald, damit diese Ziele auch auf den Staatswald übertragen werden (im Staatswald vor allem in der Rheinebene sind die ökologischen Probleme noch wesentlich größer).

Daraus entstehende Chancen für die Zukunft:

  • Höhere Diversität heimischer Arten im Bruchsaler Staats- und Stadtwald (nicht nur Bäume, sondern auch Sträucher, Kräuter, Vögel und Insekten)
  • Der Bruchsaler Staats- und Stadtwald bietet dann wieder einen Kernbaustein unserer Ökologie und stabilisiert alles.
  • Deutliche Steigerung der Erholungsfunktion für die Bevölkerung. (In Gemeinden anderswo mit alten und diversen Laubwäldern wird mittlerweile damit geworben; Beispiel Hainich, Kellerwald etc.).
  • Höhere Stabilität und Widerstandskraft gegen den Klimawandel. (Der Douglasienanteil trägt mitnichten zur Stabilität des Waldes bei, wie immer wieder fälschlich von der Forstverwaltung behauptet wird.)

Unsere Maßnahmen von heute, aber auch die Fehler, werden noch unsere Kinder beschäftigen. Lassen Sie es nicht zu, dass wir einmal von diesen - ähnlich wie beim Klimawandel - beschuldigt werden, nichts getan zu haben.
Der Bruchsaler Gemeinderat ist dafür verantwortlich, zumindest im Bruchsaler Stadtwald seine Verantwortung zu übernehmen und der Forstverwaltung klare Vorgaben und Ziele in die richtige Richtung zu machen.

Wir vertrauen darauf.

(Bruchsal, 19.5.2021, J. Schmitt, M. Hassler)