AGNUS Bruchsal und regionale Naturschutzverbände fordern kategorisch Ausbau der Güterbahn Mannheim-Karlsruhe auf bestehender Trasse

24. Januar 2022
Solche gewaltigen Naturzerstörungen wie bei der Schnellbahntrasse Mannheim-Stuttgart kann die Natur der Region kein zweites Mal aushalten - und die Bevölkerung auch nicht

Bahn plant katastrophale Naturzerstörungen und schloss Ausbau auf bestehender Trasse bereits im Vorfeld ohne Not aus

Ausbau auf bestehender Trasse mit Untertunnelungen würde für Gemeinden entlang der Trasse große Vorteile gegenüber der jetzigen Situation bringen

Die AGNUS (Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltschutz Bruchsal e.V.) als regionaler Naturschutzverband sieht das Planungs- und Trassenauswahlverfahren der Bahn mit größter Sorge.

Die Bahn behauptete bisher, dieses Planungsverfahren mit hoher Transparenz durchzuführen, und informierte in so genannten "Dialogforen". Wie sich aber herausstellt, sind diese Dialogforen und der Planungsprozess weder transparent noch werden Anregungen zu den einzelnen Trassen wirklich berücksichtigt. Hinter den Kulissen werden einzelne Trassen von der Bahn bereits im Detail durchgeplant und über ihre möglichen Auswirkungen mit den einzelnen Gemeinden gesprochen. Das führt sogar soweit, dass Details wie die Verlegung der Altenbürghalle in Karlsdorf-Neuthard geplant werden, noch bevor überhaupt das Liniensuchnetz eingeengt worden ist.

Statt dessen versuchen praktisch alle Anliegergemeinden - verständlicherweise - die Trasse soweit als möglich von ihrer Gemarkung weg zu platzieren, woraus zwangsläufig eine Lage in den wenigen schützenswerten Naturräumen resultiert.

Da es intakte Naturflächen in der stark überbauten nördlichen Rheinebene kaum noch gibt, würden praktisch alle Trassen-"Alternativen in maximalem Abstand zu den Gemeinden  ohne Ausnahme in katastrophalen Eingriffen in die wenigen noch nicht überbauten Flächen enden.

Manche Trassenoptionen wurden im Prozess bereits früh ausgeschlossen, ohne jemals eine Begründung dafür zu liefern. Darunter fällt auch der Ausbau auf bestehender Trasse, der "technisch nicht machbar" sein soll.

Gleichzeitig bleiben weitere Trassen in den verbleibenden Optionen, die völlig offensichtlich um ein Mehrfaches teurer als der Ausbau auf bestehender Trasse werden würden. Darunter fallen lange Untertunnelungen des Rheins auf Höhe Karlsruhe oder die Querung des Grabener Bruchs (dort mehrere Baggerseen). Die Kriterien für die jetzt noch verbleibenden Trassen bleiben höchst undurchsichtig, intransparent und sind außerdem fachlich nicht nachvollziehbar.

Ein weiteres Beispiel: der Ausbau parallel der Schnellbahn wurde bei Oberhausen als "technisch nicht machbar" bezeichnet (Aussagen von Bahnvertretern im Gemeinderat Waghäusel), während gleichzeitig die noch viel kompliziertere Option "Querung des Grabener Bruchs" in den möglichen Linien verbleibt.

 

Die AGNUS kommt daher aufgrund unabhängiger Bewertungen zu den folgenden Erkenntnissen und Forderungen:

1. Die regionalen Naturschutzverbände erkennen die Notwendigkeit eines zügigen Ausbaus einer Güterbahntrasse Frankfurt-Basel an und fordern weiterhin die schnelle und effiziente Verlegung des Personen- und Gütertransports auf die Schiene.

2. Die Region im Rheintal zwischen Mannheim und Karlsruhe leidet allerdings bereits jetzt an überhandnehmendem Siedlungswachstum, Flächenverbrauch und Zerschneidung der letzten noch verbleibenden Freiräume. Das wird durch weiteren Siedlungsflächenbedarf noch verschlimmert. Die Grenzen des Wachstums sind bereits jetzt überschritten, die Lebensqualität aller Einwohner massiv beeinträchtigt, und die Funktionalität der Natur- und Freiräume wurde bereits weitgehend verloren.

3. Alle Optionen des Neubaus einer zusätzlichen Güterbahntrasse abseits bestehender Trassen stoßen besonders in den Räumen Graben-Neudorf-Dettenheim-Waghäusel-Hambrücken-Stutensee-Weingarten auf praktisch unüberwindliche Hindernisse und Konflikte mit höchst schutzwürdigen (FFH-)Lebensräumen oder Naturschutzgebieten, die nur durch den Bau von sehr langen Tunnelstrecken zu lösen wären.

Zu einzelnen derzeit als favorisiert geführten Optionen:

A. Eine Zerschneidung der „Saalbachaue“ zwischen Hambrücken und Karlsdorf-Neuthard als höchstwertigem FFH- und NSG-Lebensraum ist undenkbar und wäre auch nicht genehmigungsfähig. Sie ist daher korrekterweise bereits ausgeschlossen worden. Ähnliches gilt für bisher nicht explizit geführte Optionen entlang der bestehenden Schnellbahntrasse und Verschwenkung auf die Bahntrasse nördlich von Bruchsal.

B. Die Trassenoption „Kammerforst – Karlsdorf-Neuthard – Büchenau – Untergrombach-West – Weingarten – Durlach“ würde:

  • B1: den Kammerforst zusätzlich durchschneiden
  • B2: einen langen Tunnel unter Karlsdorf-Neuthard erfordern
  • B3: einen langen Tunnel unter der Autobahn auf die Ostseite bei Büchenau erfordern (auf der Westseite der Autobahn ist kein Platz)
  • B4: höchstwertige Feuchtwälder bei Weingarten und Durlach vernichten
  • B5: bei Durlach erhebliche Konflikte mit bestehender Bebauung auslösen (zusätzlicher Tunnel???).

C. Die Option „Rund um Graben-Neudorf – Friedrichstal-Nord – Staffort – Weingarten“ wäre formal etwas weniger naturschädlich als (B), würde aber weiterhin die Konflikte B3 bis B5 beinhalten, ganz zu schweigen von Konflikten rund um den Stafforter Baggersee. Von den „Neubau-Varianten“ wäre sie die am wenigsten natur- und umweltschädliche.

D. Sämtliche Varianten westlich von Graben-Neudorf würden höchstwertige FFH-Lebensräume und NSG durchschneiden (Oberbruchwiesen, Moor) und wären wegen der Auffüllung der Baggerseen Pfander (etc.) wohl kaum bezahlbar und technisch durchführbar. Außerdem kämen dann die unter (C) aufgeführten zusätzlichen Schäden mit dazu, denn die Variante D geht nur mit C. Wir halten die Varianten D daher für weder genehmigungsfähig noch bezahlbar.

E. Die Bündelung der Trasse von Höhe Walldorf parallel der Autobahn bis nach Durlach scheint von der Bahn ernsthaft diskutiert zu werden. Dabei würden auf über 30 km Länge höchstwertige, unersetzliche Waldbestände zu beiden Seiten der A 5 vernichtet, egal auf welcher Seite der A 5 gebaut werden würde. Es sei nur an die Feuchtwälder des Weingartener Moors und des Hagsfelder Bruchs erinnert. Die notwendigen Kunstbauten auf Höhe Forst (Autobahnraststätte), Karlsdorf (Industriegebiet), Büchenau (kein Platz zwischen Baggersee und Autobahn) und Durlach (komplizierteste Einschleifung in existierende Trasse, Basistunnel notwendig) erscheinen nicht finanzierbar.

Es verbleibt eine Option F, die bisher in der Trassenabwägung noch nicht explizit aufgeführt worden ist:

  • F1: Ausbau der bestehenden Rheintaltrasse (4080-4020, Hockenheim - Waghäusel - Graben-Neudorf - Stutensee - Karlsruhe) mit Untertunnelung von Graben-Neudorf, Friedrichstal und Hagsfeld. Auf der Reststrecke Ausbau auf 4 Gleise.
  • F2: Untertunnelung von Graben-Neudorf, Friedrichstal und Hagsfeld mit 4 Gleisen, d.h. Verlegung des bestehenden ICE-Verkehrs unterirdisch. Dies hätte den unschätzbaren Vorteil, dass die betroffenen Dörfer eine wesentliche Entlastung von bestehendem Zugverkehr bekommen würden - die Trasse würde Graben-Neudorf, Friedrichstal und Hagsfeld nicht mehr durchschneiden wie derzeit.

In der Abwägung dieser Varianten ist offensichtlich, dass die Varianten A und D technisch unsinnig erscheinen. Die Varianten B, C und E wären oberirdisch fast gar nicht und sinnvoll nur mit längeren Tunneln oder Kunstbauten durchführbar, die mindestens äquivalent teuer wie eine Untertunnelung von Graben-Neudorf und Friedrichstal in der Variante E sind. Daher erscheint die Variante F auch ökonomisch äquivalent zu den anderen bereits gelisteten Varianten.

Für die Natur und (!) Bevölkerung erscheint die Variante "Ausbau auf bestehender Trasse 4020 mit Untertunnelung" weitaus am besten. Die regionalen Naturschutzverbände fordern daher nachdrücklich den Ausbau der Güterbahntrasse auf der bestehenden Rheintaltrasse (Variante F) mit Untertunnelung von Graben-Neudorf und Friedrichstal.

Es bleibt ernsthaft zu fragen, warum lange Basistunnel (unter Karlsruhe und dem Rhein) als ernsthafte Alternative noch in den Optionen vorhanden sind, während sie gleichzeitig auf der existierenden Rheintalbahn ausgeschlossen werden.

Der Ausbau auf bestehender Trasse (4020) erscheint gleich teuer oder nur unwesentlich teurer wie der Neubau "auf der grünen Wiese", denn bei allen noch vorhandenen Alternativen würden extrem teure Kunstbauten und lange Tunnels erforderlich sein, um den Raumwiderstand zu überwinden.

Sollte sich die Bahn weigern, einen Ausbau auf bestehender Trasse in Erwägung zu ziehen, dann sehen die Naturschützer die Trassenvariante durch Stutensee (C) als einzige Option, die Eingriffe in die Natur einigermaßen in Grenzen zu halten. Alle anderen Optionen würden einen historischen, nicht mehr ausgleichbaren Schaden in unsere bereits fast vernichtete (Rest-)Natur bedeuten.

Die AGNUS fordert daher die Bahn auf, den Ausbau auf bestehender Trasse wieder ins Spiel zu bringen und ernsthaft zu prüfen. Ein Bau etlicher anderer Varianten wäre extrem teuer, mit gleichem Aufwand verbunden, naturschutzrechtlich äußerst problematisch und damit kaum durchsetzbar. Eine Klage gegen diese Variantenwahl mit langer Verzögerung des Baus wäre die unausweichliche Folge - andererseits würden die Naturschutzverbände ihrer Auftrag nicht gerecht werden.

(24.1.2022 MHa)