Wie die Chemie und die EU unser Grundwasser verbessern

21. Februar 2020

Manchmal sind die "böse Chemie" und die Europäische Union nicht so schlecht wie ihr Ruf. Das zeigt sich neuerdings an der "von oben" durchgesetzten Düngemittelverordnung, bei der mit chemischen Wirkstoffen die Menge des Düngers und damit der Nitrateintrag drastisch reduziert werden - eigentlich gegen die Interessen der Industrie.

Eine Rückkehr zur "traditionellen Landwirtschaft" ganz ohne Chemie und Dünger wäre in der Fläche gar nicht mehr möglich. Ohne das seit Anfang des 20. Jahrhunderts etablierte Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniakherstellung wären die Böden der Welt gerade mal in der Lage, rund eine Milliarde Menschen zu ernähren - nicht fast zehn Milliarden wie demnächst. Eine völlig dünger- und pestizidfreie Landwirtschaft ist daher nur in kleinen Bereichen wie in Naturschutzgebieten möglich und nur für eine zahlungskräftige Kundschaft erschwinglich. Andererseits hat die moderne Intensiv-Landwirtschaft - getrieben auch durch die Billigpreis-Erwartung der Verbraucher - katastrophale Schäden an unseren Ökosystemen angerichtet und ist der Hauptverursacher des Artensterbens, nicht etwa der Klimawandel, der kommt künftig noch obendrauf!

Ein Opfer war auch unser Grundwasser, das vor allem in Sandgebieten mit durchlässigen Böden, wie in Norddeutschland und der Rheinebene, mit völlig übertriebenen Düngergaben verseucht wird. Nicht nur die Wasserwerke und damit der Steuerzahler müssen aberwitzige Summen für die Reinhaltung ausgeben, sondern der Dünger geht meistens ungenutzt direkt ins Grundwasser und verseucht dieses, mit Schäden für Natur, Umwelt und Mensch.

Zumindest eine deutliche Verbesserung kommt daher von unerwarteten Stellen: der Europäischen Union und der Chemieindustrie. Nachdem die EU die Reißleine gezogen hat und Deutschland zwang, eine drastische Reduktion der Nitratwerte im Grundwasser zu erreichen, war bald klar, dass es dazu völlig neuer Konzepte bedarf. Eine Lösung kommt aus der chemischen Industrie. Es gibt so genannte "Nitrifikations-Inhibitoren", die den Abbau des Ammoniums durch Bodenbakterien zu Nitrit und Nitrat hemmen und die Effizienz des Düngers damit drastisch verbessern. Die Düngermengen können oft glatt halbiert werden, und der Dünger steht den Pflanzen nachhaltig zur Verfügung. Diese Wirkstoffe sind für Mensch und Tier relativ ungiftig und können gleich in den Dünger hineinformuliert werden, der damit natürlich teurer wird. Alle Düngemittelhersteller sind neuerdings gezwungen, solche Formulierungen anzuwenden.

Die Düngerhersteller fanden diese Ideen zunächst nur mäßig lustig, denn die geringeren Verkaufsmengen werden durch den Aufpreis für die teuren Zusätze nicht aufgewogen. Auch die Agrarlobby sah nicht ein, warum sie mehr Aufwand leisten soll, denn bisher galt ja: Dünger aus den Augen (also im Grundwasser), aus dem Sinn. Für das Grundwasser sah sich die Landwirtschaft ja nicht verantwortlich. Die EU blieb aber gottseidank hart und verabschiedete Grenzwerte, die nur durch solche Konzepte einzuhalten sind.

Wir lernen also (erneut):

- Effektiver Umweltschutz geht nicht über "freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie", sondern tut weh und geht nur über harte Vorgaben von oben. Das gilt nicht nur für den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen oder den Naturschutz in der Fläche ("FFH-Richtlinie"), sondern eben auch für die Grundwasser-Reinhaltung. Die oft verhöhnte EU ist für den Natur- und Umweltschutz ein Segen - die Einzelstaaten hätten das alles nicht gegen die Lobby hinbekommen.

- Eine Rückkehr zur alten, idyllischen "Stallwirtschaft" des 19. Jahrhunderts ist nicht mehr möglich und schon gar nicht für alle erschwinglich. Eine einigermaßen umweltverträgliche Lösung kann nur darin bestehen, moderne Technologien auf das Problem anzuwenden.

- Die oft verteufelte "Chemie" ist nicht immer schädlich, sondern moderne Wirkstoffe sind manchmal Teil der Lösung. Eine differenzierte Weltsicht ist daher notwendig. (MH)