Was bedeutet „Biotopverbund“ und wie ist die Umsetzung/Zielerreichung?

Biotopverbund

Der Biotopverbund ist ein Netz von (miteinander) verbundenen Biotopen. Wikipedia hat eine prägnante Definition. Die LUBW beschreibt die Entstehung des Bedarf und den Nutzen solches Verbundsystem.

In Baden-Württemberg verpflichtet „sich das Land, bis zum Jahr 2030 insgesamt mindestens 15 Prozent Offenland der Landesfläche als funktionale Biotopverbundfläche zu entwickeln“ ist auf den Seiten des Umweltministeriums zu lesen. Seit 2002 ist der Biotopverbund im §20 Bundesnaturschutzgesetz beschrieben; im Landes NatSchG §15 (von 2015) sind die Ziele für 2023, 2027 und 2030 festgelegt.

Es wird über Wildtieren und Austausch von Genen gesprochen, aber wie umfassend ist die Auswirkung der Biotopverbundforderung auf unsere Landschaft? Biotopverbund spricht Flora und Fauna an. 
Wikipedia beschreibt es in unterschiedlichen Stufen:

  1. Eine Population muss sich in einem Biotop stabil entwickeln können. Bedeutet, dass das Biotop ausreichend (Menge) Nahrung für die Population bietet. Da unterscheiden sich Rebhuhn und Wolf dramatisch.
  2. Ein Biotop muss das erforderliche (Diversität) Nahrungsangebot anbieten. Beispiel: der Hase braucht täglich 40 Kräuter; über das Jahr 60. Ein Hase braucht Lauffläche.
  3. Wird ein Biotop für eine Population zu klein (Zersiedlung, Straßen, Landwirtschaft) stirbt die Population aus oder sie zieht weg. Durch Veränderungen in unserer Kulturlandschaft kann ein Biotop größer/attraktiver werden. Dann soll es möglich sein, dass Populationen (aus der Nachbarschaft) dieses (Insel)Biotop besiedeln können.

Der Biotopverbund (UM/LNV-BW) ist auf Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien fokussiert. Ein Konzept für Fließgewässer ist in der Bearbeitung. Die Biotop-verbundene Korridoren müssen auch das Überleben (2.) sicherstellen. Anm.: Blühstreifen entlang von Getreidefeldern, mit einer Breite eines Meters, sind als Korridor nicht geeignet. Schaut man auf den Übersichtkarten BW, fällt auf, dass die überregionale Korridore meistens aus Wäldern und sehr alten Streuobstwiesen bestehen. Karten, die die Durchlässigkeit der Landschaft zwischen 1930 und 2008 (Seite 4) zeigen deutlich die wirtschaftliche Entwicklung des Landes im Sinne Infrastruktur und Versiegelung der Flächen.

Wie sind Biotopgröße und Population korreliert?

Die Frage, wann eine Population zusammenbricht, wenn man das Biotop verkleinert, hat als Antwort 90% (Minute 18 im Video 1 Studium Generale Biodiversität). Bereits vorher setzt sich eine Verarmung in der Genetik ein und reduziert die Vitalität der Population bzw. die Anfälligkeit für Störungen. Die Frage umdrehen (also: reicht 10% eines Biotop aus eine Population anzusiedeln?) zeigt von fehlenden Praxisbezug. Das Phänomen nennt man Hysterese und ist in der Physik u.a. beim Magneten bekannt. In Netzwerke nennt man es Kipppunkte, da biologische Systeme existieren auf Basis vieler Wechselwirkungen und dadurch ihre Stabilität bekommen. Änderung eines Faktors (hier Größe) ist nicht entscheidend, sondern der eine Faktor beeinflusst indirekt andere Faktoren ebenfalls.

Die Grundlagen des Biotopverbunds basieren auf einer Inseltheorie aus 1967. In 2022 sind wir quasi halbwegs der Fundierung des Begriffes in Gesetzen und der Zieldefinition 2030. Im Heft „Naturschutzinfo 2017 Heft 2“, das ausschließlich das Thema Biotopverbund gewidmet ist, werden auf Seite 7 „Rahmenbedingungen und Umsetzung“ die Einschränkungen des Biotopverbundes aufgezeichnet. Bereits so früh in der Umsetzungsphase wird die Landwirtschaft unter fehlender Verfügbarkeit (Verfügbarkeit der Flächen zum Anbau, Bereitschaft Flächen zu verkaufen, erhöhte Verkaufspreise, fehlende Finanzmittel in der öffentlichen Hand, Freiwilligkeit) und gesellschaftlichen Zielkonflikten (erneuerbare Energie, Infrastruktur, etc.) als Blockaden wahrgenommen. Das Mittel der Eingriffsregelung scheitert oft an bereichsübergreifenden Abstimmungen bei den Behörden (Seite 7). Die Broschüre beschreibt auch beeindruckende Umsetzszenarien (die bereits im Jahr 2017 existierten).

Status per 2022

Nicht mal 3 bis 5 Jahre später schreiben wir Energie- und Klimakrise ganz groß; haben einen wahrgenommenen Engpass in der Futter- und Lebensmittelproduktion; schieben die wirtschaftliche Inflation von uns weg. Gleichzeitig opfern europäische Agrarminister die Brachen zwecks Ausweitung der Futter- und Lebensmittelproduktion und setzen die Fruchtfolge aus.

Detailinformationen: LUBW Biotopverbund und dort den Schwerpunkt Offenland.

PC, 20.08.2022

Die Alternative: Seitenstreifen der Straßenverbindungen und Gleiskörper

Eine interessante, aber auch vielversprechende Alternative ist das „Straßengrün“. Gemeint sind die mehrere Meter breite Seitenstreifen der Verkehrsverbindungen (Straße und Schiene). Die zuständige Behörden müssen im Bereich Management/Zuständigkeit, aber auch bei Kosten/Effizienz umdenken. Betroffen ist der Bauhof der Kommune bis zur Autobahnmeisterei und Liegenschaftspflege der Bahn. Details im 3. Vortrag des Studium Generale Biodiversität 2021/2022.

PC, 22.2.2022