Pflanze des Monats Oktober 2021: Der Diptam

Bereits im Jahr 1843 war der Diptam eine Besonderheit in der Region

Die Pflanzenfamilie Rutaceae (Rautengewächse) ist eine fast ausschließlich tropisch verbreitete Gruppe. Wer kennt nicht die Vielfalt der Zitrusfrüchte? In den Tropen und Subtropen der Welt kommen Hunderte von Arten vor, die fast alle auffällig nach Zitrusaromen riechen. In Europa ist die Fülle dagegen sehr überschaubar. Nur knapp zwei Dutzend Arten sind rund um das Mittelmeer zu finden, und in Mitteleuropa nur eine einzige "alteinheimische", nämlich der Diptam (Dictamnus albus). [Die zweite Rutaceae-Art Deutschlands, die Wein-Raute, Ruta graveolens, ist eine historische Heilpflanze und verwilderte seit dem Mittelalter aus Kräutergärten.]

Diese langlebige, im Herbst meist einziehende Staude wächst an sonnigen, kargen Waldsäumen, oft in felsigen Wacholderheiden, Kalk- oder Keupermagerrasen unter Kiefern. Sie ist mahdempfindlich und blüht im Frühsommer. Die bis über 1,20 m hohe Staude trägt einen weithin auffälligen, rispigen Blütenstand aus großen, weißen und rosarot geaderten Blüten.

Da die meisten Kalkmagerrasen-Säume durch Eutrophierung und Verbuschung verschwunden sind, ist der Diptam überall selten geworden. Größere Bestände gibt es vor allem in den Keuper-Geröllhalden des Tauberlands und in Mainfranken.

 

Der Diptam galt schon seit Linnés Zeiten als botanische Besonderheit und wurde schon immer als Gartenpflanze gehalten, manchmal leider auch ausgegraben. In Nordbaden gibt es seit jeher nur wenige für den Diptam geeignete Standorte. Kein Wunder, dass schon die ersten systematisch kartierenden Botaniker seine Vorkommen als Rarität erkannten. Johann Christoph Döll war der erste, der mit seiner "Rheinischen Flora ... mit besonderer Berücksichtigung des Grossherzogthums Baden" von 1843 von den Vorkommen des Diptams "bei Reilingen im Walde" berichtete, wo er bald darauf verschwand. 1862 schließlich schrieb er in seiner 3bändigen "Flora des Großherzogthum Baden" ausdrücklich vom Diptam am Eichelberg zwischen Untergrombach und Bruchsal und bemerkt, er hätte diesen dort schon 1843 gefunden, was den Fund zu einer der ersten botanischen Fundmeldungen in der ganzen Region macht!

Die Vorkommen im lichten Steinsamen-Eichenwald des "Näherkopfs" nördlich der Zufahrtsstraße zur Kaserne sind heute noch vorhanden und damit fast 200 Jahre alt. Sicherlich sind die Vorkommen aber viel älter und waren früher reichhaltiger, zumal die Wälder im Mittelalter weitaus lichter und trockener waren. Über diese 200 Jahre waren die Bestände an dieser Stelle stets höchst gefährdet und wohl mehrfach fast verschwunden. Der Karlsruher Botaniker Kneucker berichtet in den 1890er Jahren davon, dann der damalige Bruchsaler Referendar und spätere berühmte Botaniker Erich Oberdorfer in den 1930er Jahren. Als der Verfasser in den 1980er Jahren für die erste Version der Bruchsaler Flora kartierte, konnte er kein Exemplar mehr finden, und der Hang war stark zugewachsen. Damals berichteten die Förster, dass die Pflanze bereits verschwunden war, aber von einem lokalen Förster nachgepflanzt worden sei. Schließlich setzten wir die Pflanze zusammen mit vielen anderen auf die "Verlustliste". Überraschenderweise konnte aber durch Andreas Kleinsteuber und andere Karlsruher Botaniker die Pflanze 1999 wiedergefunden werden, und auch danach verschwand sie wieder für längere Zeit.

Die Sturmschäden ab ca. 2010 lichteten den Eichenwald am Näherkopf stark auf, was andere lichtliebende Pflanzen wie die Frühlingsplatterbse, den Blauroten Steinsamen oder die Ästige Grasnelke stark begünstigte. Als Franz Lechner für die BNN im Sommer 2021 in einer Serie über den Diptam berichtete, begannen wir daher nochmals eine gezielte Suche. Die Freude war groß, als wir an einer anderen Stelle wenige Meter entfernt eine ganze Gruppe von 8 Exemplaren auf einer neu entstandenen Lichtung finden konnten! Der Diptam hat sich damit seit 180 Jahren gehalten und soll künftig besser geschützt werden. Die AGNUS wird mit der Forstverwaltung hierzu Kontakt aufnehmen.

Ab ca. 2005 tauchte dann am Kaiserberg nahebei direkt neben einem viel begangenen Trampelpfad ein großes, sofort blühendes Exemplar des Diptams auf. Der Verdacht lag sofort nahe, dass sich hier ein wohlmeinender "Pflanzenfreund" betätigt hatte. Aber da der Diptam dort in einem typischen Lebensraum wächst und außerdem bei Photographen sehr populär wurde, ließen wir ihn stehen. Dort hat er sich aber auffälligerweise nicht vermehrt.

Nicht nur die Blüten des Diptams sind dekorativ, sondern auch die leuchtend scharlachroten Samenkapseln, die lange an der Pflanze verbleiben. Die eschenähnlichen, gefiederten Blätter lassen sich leicht von den sehr ähnlichen Eschen- oder Nussbaum-Blättern unterscheiden, da die zentrale Fiederachse etwas geflügelt ist.

Vor allem der obere Stängel ist mit roten Drüsen übersät, die ein nach Orangen riechendes Öl abgeben. Dieses kann (siehe Bild) an warmen Sommertagen sogar angezündet werden, worauf sich eine kleine, kurzlebige Stichflamme bildet! Die Pflanze überlebt diese Behandlung meist problemlos.

Der Diptam ist zwar eine überaus dekorative Gartenpflanze und wird in der Bruchsaler Gartenliste empfohlen. Vorsicht ist trotzdem angebracht, denn ein nicht geringer Prozentsatz der Menschen reagiert auf die ätherischen Öle in der Pflanze mit schweren phototoxischen Erscheinungen bis hin zu verbrennungsähnlichen Blasen. Andere (so wie auch der Verfasser) zeigen überhaupt keine Reaktionen.

Für Bruchsal ist der Diptam eine überaus bedeutende Pflanze: das historisch einzige Vorkommen am westlichen Kraichgaurand ist auf weite Strecken isoliert und hat aufgrund seiner jahrhundertelangen Tradition eine besondere Bedeutung als eine der ältesten bekannten Pflanzen in der Gegend. Der Diptam würde sich daher als "Bruchsaler Wappenpflanze" eignen! Die Stadt Bruchsal wird uns sicherlich beim Schutz und Erhalt helfen und hat Diptam bereits auf einen Verkehrskreisel am Weiherberg gesetzt, der zusammen mit der AGNUS mit Wildpflanzen bepflanzt wurde.

(24.10.2021, MHa)