Die Tradition des „Wärzwischs“ zu Mariä Himmelfahrt: Das Beispiel Wiesental

„Wärzwische“ oder "Werzwische" (der Name leitet sich von „Gewürz“ ab) spielten im kulturellen Leben der katholischen Dörfer in der Hardt eine große Rolle.

Die Zusammensetzung dieser Kräuterbündel war traditionell von Dorf zu Dorf unterschiedlich, die Zahl der Arten schwankte je nach Gegend von 8 bis über 70 (in einigen Allgäugemeinden). Der Wiesentaler Wärzwisch enthielt je nach Über­lieferung 13 oder 14 Pflanzenarten. Früher gab es wohl kaum einen Jugendlichen, der nicht zu Maria Himmelfahrt am 15. August in die Umgebung der Dörfer „gepilgert“ wäre, um die begehrten Kräuter nach alter Zusammensetzung zu sammeln.

Tips, wo im Garten alter Tanten noch Stöcke von begehr­ten Sorten zu finden seien, waren „Gold wert“. Und derjenige, der tatsächlich alle Kräuter nicht nur aufzusagen wusste, sondern auch im Wärzwisch präsentieren konnte, stieg in der sozialen Rangleiter seiner Kameraden gleich um einige Stufen höher.

Nicht vergessen sollte man darüber die jahrhundertelange Tradition der Heilkräutersammlung. Was heutzutage wie ein nur geduldetes Relikt aus heidnischer Tradition aussieht, war vielmehr die durchaus gezielte Strategie der Kirche, wichtige medizinisch-heilkundliche Überlieferungen durch die Kopplung an die kirchlichen Rituale zu erhalten und zu fördern. Dass jeder von uns ein klein bisschen abergläubisch ist und man die Segnungsformeln des Schutzes „vor Schlangenbiss und Ungewitter“ schmunzelnd zum Anlass nimmt, den Wärzwisch über das Jahr im Hausflur auf­zuhängen, tut dem keinen Abbruch. Der angenehme Duft, den der Wisch in den ersten Tagen ausströmt, trägt sein übriges dazu bei.

Die Überlieferung der „wahren“ (im Sinne von „wirksamen“) Heilkräuter und ihrer Bedeutung für das tägliche Leben ist über die Jahrzehnte ziemlich in Vergessenheit geraten. Kein Wunder also, dass die in den letzten Jahren in der Kirche geweihten Bündel mehr nach Gartenstrauß denn nach wahrem Wärzwisch aussehen. Bunte Gartenblumen wie Fuchsschwanz und Goldrute werden zur optischen Verbesserung dazugebunden und sind plötzlich angeblicher Be­standteil der Originalzusammensetzung.

Aber auch die „echten“ 13 von Wiesental sind nicht alle Heilpflanzen! Bei genauem Hinsehen kann man die Ar­ten des Wiesentaler Wärzwischs in mehrere Gruppen unterteilen:

-    Gewürzpflanzen und Teepflanzen, die vor allem wegen ihres Aromas geschätzt wurden, aber teilweise auch schwache Heilwirkung entfalten: Zitronenmelisse, Liebstöckel, Weinraute, Katzenminze, Pfefferminze.

-    Heilpflanzen ohne nennenswerte Giftwirkung, die auch heute noch vielfach in der Kräuter­medizin angewandt werden: Großer Wiesenknopf („Blutströpfchen“), Tausendgüldenkraut, Wasserdost („Wärzklee“), Katzenminze („Spreikraut“), Roßminze.

-    Hochwirksame Gift- bzw. Arzneipflanzen: Ein guter Teil hochgiftiger Arten findet sich darun­ter, die allenfalls bei vorsichtigster Dosierung geeignet sind, den Patienten nicht zuverlässig umzubringen. Fast alle Heilpflanzen und Giftpflanzen wurden früher in Überdosierung dazu verwendet, Abtreibungen herbeizuführen - oft auch zum Schaden für die Mutter. Bei uns sind dies Rainfarn, Osterluzei und Wermut.

-    Und schließlich Arten, die keine Wirkung entfalten und nur wegen ihrer hübschen Blüten zur Dekoration in den Wärzwisch „hineingerutscht“ sind: der „Rote Hirsch“ oder Rispen-Fuchs­schwanz gehört sicherlich dazu, wohl auch das Rainblümchen.

 

Die Unterteilung der Arten nach ihren Vorkommen bringt auch verschiedene Kategorien zutage. Da sind Arten, die bei uns wild vorkommen und traditionsgemäß „draußen“ gesammelt werden, wie Tausendgüldenkraut, Rainfarn oder Wasserdost. Andere Arten müssen in Gärten gesucht werden: Liebstöckel, Rispen-Fuchsschwanz oder Zitronenmelisse. Die wohl interessanteste Gruppe sind alte Heilpflanzen, die seit Jahrhunderten in alten Gärten angebaut werden, aber auch in der freien Natur ihr Auskommen finden. Ohne den „Nachschub“ aus den alten Bauern­gärten verschwinden sie „draußen“ langsam wieder. Zahlreiche Arten aus dieser Gruppe gelten mittlerweile als bedroht oder stark gefährdet: Katzenminze, Löwenschwanz, Andorn oder Osterluzei, um nur einige zu nennen.

Als Faktor für die Auswahl der Arten spielte sicherlich auch die Jahreszeit eine Rolle: die Blüte­zeit der meisten Wildpflanzen fällt in den April bis Juli. Mitte August zu Mariä Himmelfahrt sind die Wiesen abgemäht, und nur noch wenige Arten stehen in voller Blüte. Einige klassische Heil- und Gewürzpflanzen können daher im Wärzwisch kaum verwendet werden, da sie ein allzu trauriges Bild im Strauß abgeben würden.

Die Überlieferung ist allerdings sehr lückenhaft geworden. Jahrelanges Nachforschen des Au­tors brachte ganz widersprüchliche Informationen über den Wärzwisch ans Tageslicht, und lei­der konnten nicht mehr alle Probleme gelöst werden. Lassen wir nun die „13“ aus Wiesental einmal Revue passieren!

 

Michael & Dieter Hassler; leicht veränderte Version eines Artikels von 1997 in unserem Buch: "Das Naturschutzgebiet Frankreich"

 

 

Sand-Strohblume, „Rainblümchen“ (Helichrysum arenarium)

Das ist wohl eine der seltensten Pflanzen der Sanddünen der Rheinebene! Das Rainblümchen kommt nur noch um Mannheim oder Schwetzingen an ganz wenigen Stellen vor. Mit seinen graufilzigen Blatthorsten und den Gruppen von hellweißlich-gelben Blüten ist es unverkennbar. Es gilt in Ba­den-Württemberg als vom Aussterben bedroht!

Als Kinder glaubten wir, der Name käme von „Rhein“, was uns veranlaßte, die Vorkommen der Pflanze im Rhein-Tiefgestade zu vermuten. Weit gefehlt! Früher kam die Art wohl auf den Sandhängen im „Frankreich“ an den trockensten und heißesten Stellen der Gemarkung vor, mit­ten in den Silbergras-Rasen. Spätestens seit den 60er Jahren ist sie verschwunden, auch im benachbarten Philippsburg, wo die Art ebenfalls im Wärzwisch enthalten ist. Versu­che, im Rahmen des Schnellbahnbaus bei Forst die Art aus Samen wieder anzusiedeln, scheiterten, sie hielt sich nur für wenige Jahre. Vielleicht ist mittlerweile die Zeit in der Sandsteppe des Gewann „Frankreich“ wieder reif dafür.

Überlieferungen beweisen, daß auch früher das Rainblümchen von den Pendlern aus Mann­heim mitgebracht wurde. Dort kam es an Bahndämmen, vor allem im Brühl-Rohrhofer Raum, nicht selten vor. Wer die Art im Wärzwisch hatte, wurde bereits in den 60er Jahren von allen beneidet - oft wurde wegen ihrer Haltbarkeit eine frühe Form des „Recyclings“ gewählt und klammheimlich die kostbaren Blüten des letzten Jahres in den Wisch eingearbeitet.

Heilwirkungen sind keine (mehr?) bekannt. Sicherlich war die Art für Trockensträuße sehr be­gehrt, wie auch ihr Name zeigt. Es liegt daher nahe, daß sie seit langer Zeit als optische Ver­besserung für den Wärzwisch diente. Versuche der Ansiedlung in Gärten scheitern fast immer, da die notwendigen trockenheiß-sandigen Bedingungen nicht bereitgestellt werden können.

Weinraute (Ruta graveolens)

Diese alte Kulturpflanze ist bereits seit mittelalterlicher Zeit in Klostergärten überliefert und wird angeblich seit griechischer Zeit als Heilpflanze benutzt. Ihre eigentliche Heimat ist das Mittel­meer; in Baden-Württemberg kann sie nur in heißen Lagen für wenige Jahre wild überdauern und pflanzt sich nicht sonderlich gut von alleine fort. Gepflanzte Stöcke dagegen sind äußerst langlebig und oft nach vielen Jahren noch zu finden.

Wild kam oder kommt die Weinraute in der Wiesentaler Umgebung nicht vor. Sie ist eine alte Gewürzpflanze mit scharfem Geschmack und typischem Aroma, deren Wirkung schon immer von ihrer beachtlichen Giftigkeit überschattet wurde, so dass bereits alte Kräuterbücher vor ihrer Anwendung im Übermaß warnen. Als Abtreibungsgift erlangte sie ebenfalls Bekanntheit. Der Name soll daher rühren, daß man Wein (und Grappa!) damit würzte - aber auch der bevorzugte Wuchs im Weinbauklima und an warmen Steillagen könnten dazu beigetragen haben.

Pfefferminze (Mentha x piperita) und Rossminze (Mentha longifolia)

Minzen sind seit altersher für viele Zwecke genutzte Pflanzen. Kaum ein Kräutertee, in dem sie nicht vorkommen! Zu dem halben Dutzend Arten, das in Deutschland wild vorkommt, treten in Gärten noch einige Kulturarten hinzu. Fast alle Arten kreuzen sich in der Natur und führen zu einer verwirrenden Formenfülle - die eigentliche „Pfefferminze“ ist selbst ein Hybrid! Jeder Gar­tenbesitzer weiß, daß Pfefferminze, die sich mit unterirdischen Ausläufern fortpflanzt, sich nach einigen Jahren wieder zu den Stammarten zurückentwickelt und einen Teil ihres besonderen Duftes verliert oder verändert. Daher müssen die Gartenstöcke immer einmal wieder durch Kreuzung der Stammarten „aufgefrischt“ werden.

Kein Wunder daher, daß die Überlieferung, welche Minzen in den Wärzwisch gehören, verwir­rend und unpräzise ist. Klar scheint lediglich zu sein, daß mindestens 2 Minzen aus der Gattung Mentha (und die damit nur weitläufig verwandte Katzenminze, s. u.) verwendet werden. Dazu gehören die nur in Gärten vorhandene Pfefferminze selbst, die in allen Bauerngärten vorhanden war bzw. ist und auch heute noch in allen Gärtnereien bezogen werden kann.

Wieviele der wilden Minzen in Wiesental gesammelt wurden, ist nicht ganz klar. Schon wegen ihrer Häufigkeit wurde wohl die Rossminze bevorzugt - sie steht an allen nicht zu trockenen Waldsäumen der Rheinebene. Feuchte Waldränder, zum Beispiel am Duttlacher Graben („Stinkergraben“) und Hochstaudenfluren sind typische Wuchsorte. Hier findet man gleich auch noch den „Wärzklee“, mit dem die Rossminze häufig zusammen vorkommt. Sie ist in fast allen Wärzwischen zu finden.

Viel seltener dagegen sind die anderen Minzen, z.B. die Wasserminze (Mentha aquatica) in Feuchtbiotopen oder die besonders wohlriechende Rundblättrige Minze (Mentha rotundifolia) in den Flachmooren des Tiefgestades. Die Acker-Minze (Mentha arvensis) wird wegen ihres wenig attraktiven, ziemlich penetranten Geruchs selten benutzt worden sein.

Katzenminze, „Mutterkraut“ (Nepeta cataria)

Die Identität des Wiesentaler "Moddekrauts“ war lange unklar, zumal lange Jahre eine falsche Erklärung des Dialektausdrucks genommen wurde und nach „Mutterkraut“ gesucht wurde (das botanisch so genannte „Mutterkraut“, die Kamillenart Tanacetum parthenium, ist in Wie­sental als „Hemdeknöpfle“ bekannt und war nie im Wärzwisch vertreten). Alte Einwohner führten uns schließlich zu verschiedenen Minzen, darunter auch die Katzenminze. Die endgültige Lö­sung kam 1996 durch Anton Prestel aus Weiher, der sowohl den Namen als auch die Identität an authentischen, von seiner Mutter „geerbten“ Exemplaren bestätigen konnte. Außerdem brachte er die Lösung: „Moddekraut“ kommt von „Mottenkraut“. Die Katzenminze wurde offen­sichtlich früher als Mittel gegen Mottenbefall in Kleiderschränke gehängt. Dies brachte mit Si­cherheit keine Abhilfe gegen Motten, aber wenigstens roch der Kleiderschrank (etwas) besser. Viele ältere, botanisch nicht beschlagene Mitbürger bezeichneten daneben Wildminzen-Arten (z. B. die Rossminze), die in Gärten angepflanzt waren, als „Mottenkraut“.

Katzenminze war über Jahrhunderte in Klostergärten zu finden und wurde weit verbreitet als Heilpflanze in Kräutertees benutzt. Der weit schlechtere, ziemlich penetrante Geruch führte aber dazu, dass vermutlich schon früh die Verwendung zugunsten der echten Minzen abnahm. Mitt­lerweile gilt die Katzenminze in Baden-Württemberg als stark bedroht und geht dramatisch zu­rück, seit der „Nachschub“ aus alten Gärten ausbleibt. Die frühe Mahd von Wiesenrainen scha­det ihr besonders, da sie erst im Juli zur Blüte kommt.

Die Art ist wärmeliebend und kann durchaus auch einmal in Pflasterfugen vorkommen. Auch Schotter werden gerne angenommen. Heute ist die Katzenminze auf Wiesentaler Gemarkung verschwunden, nur noch wenige Exemplare überleben in Gärten. Sie kommt dagegen noch ganz selten im Kraichgau vor, auch in Mannheim können Industriebrachen nach ihr abgesucht werden. In Gärten ist die Katzenminze leicht auszusäen und wäre daher ein dankbarer Kandidat für die Vermehrung und Nachzucht aus Gärten.

"Spreikraut“ (?Leonurus marrubiastrum)

Ein bis heute ungelöstes Rätsel liegt über der wahren Identität dieser legendären Pflanze, die nach alter Überlieferung in den Wiesentaler Wärzwisch gehört. Der „Vollständigkeitstrieb“ be­wog uns früher dazu, bei der betagten Verwandtschaft herumzufragen, wer denn noch „echte“ Exemplare im Garten habe. Aber auch spätere Versuche, in Zusammenarbeit mit dem Heimat­verein Wiesental der Sache auf die Spur zu kommen, blieben unbefriedigend. Praktisch jeder, der sich noch an die Namen erinnern konnte, führte uns zu anderen Pflanzen, meistens zu ver­schiedenen Minzen (siehe auch oben unter der Katzenminze).

Eine völlig neue Deutung kam 1993 vom Heimatverein Wiesental, der in seiner Dokumentation zum Wärzwisch den Katzenschwanz (Leonurus marrubiastrum) ins Gespräch brachte und auch gleich durch gepflückte Exemplare belegte. Die höchst seltene Art, eine Pflanze des Mittel­meers, kommt in Baden-Württemberg praktisch nicht mehr vor, sie verwilderte früher aus den Gärten in Schuttfluren und an warme Wegränder. Wild wurde sie auf Wiesentaler Gemarkung noch nie beobachtet, im gesamten Landkreis ist sie wohl verschwunden. Auch ihr großer Ver­wandter, der Löwenschwanz (Leonurus cardiaca) ist fast genauso selten. Man findet ihn noch bei Jöhlingen. Es könnte durchaus sein, daß auch der Löwenschwanz noch eine Rolle bei der Diskussion um das „echte Spreikraut“ spielen könnte.

Rainfarn, „Manns-Stärk“ (Tanacetum vulgare)

Eine häufige, unverwechselbare und auffällige Erscheinung an allen Wegrainen, Magerwiesen und Brachländern sind die gelben Blütendolden des Rainfarns. Auch auf der Wiesentaler Ge­markung ist er überall zu finden, wo relativ spät oder gar nicht gemäht wird, besonders an Bahndämmen. Die Art ist tolerant gegenüber vielen Umweltbedingungen und dementsprechend häufig. Gelegentlich wird er auch als Zierpflanze in den Gärten gesehen.

Rainfarn gilt als alte Heilpflanze, die aber heute wegen ihrer hohen Giftigkeit nicht mehr ange­wandt wird, obwohl in manchen Kräuterbüchern fahrlässigerweise immer noch Verwendungen zitiert werden. Er wurde nicht nur als Tonikum verwendet, sondern auch als Wurmmittel und Vertreibungsmittel für Flöhe und Wanzen (!). Wegen ihres scharfen Geschmacks soll die Art früher als billiger Ersatz für teure „echte“ Gewürze gedient haben.

Fast kein Wärzwisch in der näheren und weiteren Umgebung, in dem der Rainfarn nicht enthal­ten ist. Eine regionale Spezialität scheint dagegen der Name „Manns-Stärk“ zu sein, der auf eine frühere Verwendung als Aphrodisiakum hinweist (es gibt wohl kaum eine Heilpflanze, die noch nicht dahingehend ausprobiert wurde!). Große Bedeutung hat er als Insektenfutterpflanze, da während seiner Blütezeit im Juli/August nicht mehr viel andere Nektarquellen zur Verfügung stehen. Die Blütendolden sind oft übersät mit Wildbienen und -wespen (z. B. eine Colletes-Art sammelt bevorzugt hier), Schwebfliegen und anderen Insekten.

Wermut, „Wermed“ (Artemisia absinthium)

Das ist eine typische Pflanze von Sand, Schotter, Schuttplätzen und Brachäckern der Rhein­ebene, überall an Bahndämmen und an Wegen zu finden und an ihrer typischen „grauen“ Farbe leicht zu erkennen. Die Häufigkeit nimmt nach Norden in Richtung Mannheim zu. Der Wermut gilt in Baden-Württemberg als lokal und meistens selten, hat sich in den letzten Jahren aber in der Mannheimer Gegend wieder stark ausgebreitet. Geringeres Spritzen und Mähen der Stra­ßenraine war dafür die Hauptursache.

Auf Wiesentaler Gemarkung gab es schon immer einzelne wilde Kolonien des Wermuts. Vor allen an den sandig-heißen Stellen mußte er gesucht werden. Daneben wurde er aber auch in den Gärten häufig gehalten, wo die Pflanzen bei „gutem Futter“ erheblich größer als in der freien Feldflur werden können.

Früher als geradezu unentbehrliche Heilpflanze und Zusatz zu vielen Kräuterschnäpsen ge­schätzt (vor allem als Bitterstoff im Absinth), kam der Wermut relativ früh in Verruf, da seine In­haltsstoffe starke Leberschäden hervorrufen. Seine Verwendung als Ingredienz in Tinkturen oder Kräuterzubereitungen ist daher heute verboten.

Wasserdost, „Wärzklee“ (Eupatorium cannabinum)

Das ist eine Pflanze der Gräben, Feuchtwiesen und Bäche. Die hohen Stöcke vertragen keine Mahd und wachsen daher bevorzugt an spät oder gar nicht gemähten Stellen: Röhrichte, Wald­ränder, Bachsäume. In der Wiesentaler Gegend ist sie vergleichsweise spärlich vorhanden und muss daher in der Bachaue des Wagbachs, vor allem aber in den feuchteren Teilen des Hardtwalds nach Weiher oder Hambrücken hin gesucht werden. Ausgesprochen häufig ist sie dagegen im Rhein-Tiefgestade, z.B. im Waghäusler Bruch, bei Huttenheim oder Neudorf. Ge­nerell ist der Wasserdost eine häufige und in Baden-Württemberg nicht bedrohte Art. Der latei­nische Name deutet auf die hanfähnlichen Blätter hin.

Wasserdost soll im Mittelalter eine recht verbreitete Heilpflanze gewesen sein, z. B. in Kräuter­tees oder als Wundkraut. Die wenig riechende Pflanze wird dagegen nicht als Gewürzkraut verwendet.

Tausendgüldenkräuter (Centaurium erythraea und pulchellum)

Die unverwechselbaren Tausendgüldenkräuter mit ihren rosafarbenen Blütendolden sind recht bedeutende alte Heilpflanzen mit einem hohen Gehalt an Bitterstoffen. Sie gelten in Kräutertees vor allem als Mittel gegen Magen- und Darmbeschwerden.

Zwei Arten kommen in der Wiesentaler Gegend vor. Das Gemeine Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) ist die größere Art und typisch für Waldschläge und sonnige Waldrän­der. Es ist im Hardtwald ausgesprochen selten, wird dagegen im Kraichgauer Hügelland deut­lich häufiger und gehört in den Mittelgebirgen zu den verbreiteten Erscheinungen. Zur Seltenheit in der Hardt kommt noch dazu, daß die einjährige Art ihre Wuchsorte wechselt und daher von Jahr zu Jahr an verschiedenen Stellen zu finden ist.

Dementsprechend begehrt und kostbar war das Tausendgüldenkraut für den Wärzwisch und fast so „schlecht erhältlich“ wie das Rainblümchen. Bevorzugte Quellen waren Pilzsammler und ganz allgemein die Pensionäre, die mit dem Fahrrad durch die Hardt zu ihren Treffpunkten fuh­ren und dabei gelegentlich einmal das Tausendgüldenkraut erspähten.

Da das Gemeine Tausendgüldenkraut auf Wiesentaler Gemarkung so selten ist, liegt die Über­legung nahe, daß hier früher die zweite Art gesammelt wurde, das Zierliche Tausendgülden­kraut (Centaurium pulchellum). Für einen Laien ist es vom Gemeinen Tausendgüldenkraut kaum zu unterscheiden, es sei denn durch seine geringere Größe. Im Gegensatz zu diesen kommt es auf Schlammflächen und in Röhrichten vor, selten auch auf Feuchtwiesen. Wenn sich auch auf Wiesentaler Gemarkung kaum geeignete Biotope fanden, war früher das Zierliche Tausendgüldenkraut im Waghäusler Bruch, bei Neudorf oder Huttenheim regelmäßig zu sehen und sicherlich weitaus häufiger als sein größerer Verwandter.

Heute allerdings gehört das Zierliche Tausendgüldenkraut zu den am stärksten gefährdeten Ar­ten der Rheinebene; alle seine Wuchsorte sind trockengelegt oder -gefallen, aufgeforstet, zu­gewachsen oder gleich unter Baggerseen verschwunden.

Osterluzei, „Österlich Seikraut“ (Aristolochia clematitis)

Der Wiesentaler Name ist ein geradezu klassisches Beispiel für die Veränderung von Namen im Dialekt und den Verlust ihrer Bedeutung - mit Ostern hat der ursprüngliche Name jedenfalls nichts zu tun, schon gar nicht mit Säuen! Seine Wurzeln sind im lateinischen Aristolochia noch zu erkennen.

Die Osterluzei ist der einzige mitteleuropäische Vertreter einer tropischen Pflanzenfamilie mit zahlreichen hochgiftigen Pflanzen, unter ihnen auch viele Pfeilgiftlieferanten. Auch die Osterlu­zei ist wie die Weinraute eine potente Giftpflanze und sollte daher für die Kräuterheilkunde grundsätzlich nicht verwendet werden (und schon gar nicht für Eigenversuche!). Die meisten Ar­ten aus der Familie sind Lianen oder Kletterpflanzen, während unsere Osterluzei sich aus unter­irdischen Ausläufern entwickelt. Wenn der Wurzelstock einmal entwickelt ist, was viele Jahre dauern kann, schlägt die Art regelmäßig wieder aus. Früchte gibt es äußerst selten zu sehen.

Die Art gilt in Baden-Württemberg als gefährdet und war eigentlich nie „vollständig wild“. Die Vorkommen gehen meistens auf alte Gärten oder Siedlungen zurück. Sie benötigt Weinbau­klima und liebt steile, sonnige Lagen.

Das Seikraut kam im Ort Wiesental nur in Gärten vor und war bzw. ist nicht häufig. Besitzer von alten Stöcken wurden daher zu Zeit des Wärzwisches gerne besucht; Tips für „Bezugsquellen“ waren hochgeschätzt.

Fuchsschwanz, „Rote Hersche“ (Amaranthus cruentus u. a.)

Vermutlich nur aus Dekorationsgründen sind die Fuchsschwänze in den Wärzwisch geraten. Sie sind weder Heil- noch Giftpflanzen. Sämtliche bei uns wachsenden Arten sind Neophyten (neu eingewanderte Pflanzen), manche sind gefürchtete Ackerunkräuter. Die meisten Arten sind grün, im Wärzwisch werden dagegen vor allem die rot gefärbten Exemplare (u. a. die Art Amaran­thus cruentus) geschätzt. Daneben wird der Rispen-Fuchsschwanz (Amaranthus caudatus), eine besonders dekorative Zierform mit langen, herunterhängenden Blüten, häufig in Gärten angebaut und im Wärzwisch verwendet. Seine geweihähnlichen, verzweigten Blüten standen Pate für den Namen „Rote Hirsche“. Wild kommt er bei uns nicht vor.

Großer Wiesenknopf, „Blutströpfchen“ (Sanguisorba officinalis)

Nur in Feuchtwiesen wächst das Blutströpfchen, eine Wildpflanze, die in Gärten nicht zu finden ist (im Gegensatz zu seinem Verwandten, dem Kleinen Wiesenknopf, der in Gewürzgärten als „Bibernelle“ oder „Pimpinelle“ geschätzt wird). Es kann wegen seiner späten Blütezeit eine frühe Mahd der Feuchtwiesen überleben und ist dann oft schon von weitem zu sehen, da die dunklen „Knöpfe“ der Blüten über das Gras hinausragen.

Das Blutströpfchen konnte auf der Wiesentaler Gemarkung nur selten in den Bachauen des Wagbachs und in den „Gernwiesen“ am Duttlacher Graben gefunden werden, ist dafür aber im Rhein-Tiefgestade häufig. Ein Ausflug mit dem Rad nach Neudorf, Oberhausen oder Hutten­heim oder in Richtung Weiher auf die Waldwiesen gehörte daher zu den notwendigen Vorkeh­rungen für das Kräutersammeln zu Mariä Himmelfahrt. Die Art ist seit alters her als Heilpflanze geschätzt und besitzt mehrere recht wirksame Wirkstoffe. Sie riecht praktisch nicht und wird daher auch nicht als Gewürzpflanze verwendet.

Liebstöckel, „Maggikraut“ (Levisticum officinale)

Wild kommt es bei uns nicht vor, dagegen gehört es in jedem Bauerngarten zum unentbehrli­chen Kräuterinventar: das Liebstöckel, wegen seines charakteristischen Geruchs und Ge­schmacks auch Maggikraut genannt. Es bildet große, langlebige Stöcke, die in einer Ecke des Gartens ihr Auskommen fanden. Es wurde praktisch nicht als Heilpflanze, dagegen umso mehr als Gewürzpflanze geschätzt. Die Bedeutung ist aber deutlich zurückgegangen, möglicherweise wegen seines recht durchdringenden Geschmacks. Auch in den Wärzwischen der Umgebung gehört das Liebstöckel zu den „unentbehrlichen“, häufig vertretenen Pflanzen.

Was hosch en alles?

En große Moment for die Buwe in Wissedal: Die Kerch isch rum, der Pfarrer hot widder lang gebred­dicht, alles drengelt zu der hinnere Deere naus. Sunscht isch mer jo mee die Seidediere naus gange, heit geht des net. „Heer - Egon - hosch alles? Alle dreizehne?“ kreischd oiner. Bloß die Ohfenger werre do nerwees. Mir hen do noch net gwißt, daß des „Kuhl“ haißt, wie mer do zu sei hot, awwer mir wares! Do hot mer bloß den Wärzwisch gelupft un hot nogedidde. „Zeh Sache desmol! Net schlecht, odder?“ „Des isch doch gar nix. Do gugg! Roiblimlin, Dausedgildegraut, Moddegraut un Schpraikraut“. „Wu hoschen dess her?“ „Pfff - des hot mer halt, do hot mer sei Blätz!“ „Heer - gugg emol, dess soll Schpraigraut soi! Im Lehwe nedd!“ „Dess waisch doch Du nedd, du Simbl!“ „Dess hewwi vun meim Ungl, der secht, dess isch Schpraigraut, un won der des secht, dann isch dess so. Der hot schun Wärzwisch gmacht, do hosch du noch in´d Hose gsaicht!“Dunnerwedder, do hot mer widder wochelong rumgsucht. Bei der Käddl des Moddekraut ausem Gade gholt, beim Annares de Wermud, die Bludsdrepflin en de Geernwisse middem Fahrrad gholt un wie en Verrickder des Dausedgildegraut gsucht. Do war nix drin des Johr. Un jetzd hen die Gribbel anoch Roiblimlin. I geb jo zu, i heb´ jo aa drin, awwer des sin die vum vohriche Johr. Un die hewwi a net selwer gfunne, die hot mer ohner gewe. Wanni ehrlich bin, hewwi sowwiso noch koini gfunne. Awwer jedes Johr hen die Kerl widder frische - un koiner secht oim de Blatz. Do ziecht mer dann ganz gschlage hoim mit seine Wärzwisch. „Awwer negschdes Johr, do zaig is eich, alle middennaner!“ Unn dann geht mer hoim un guggt, daß mer soi Wärzwisch a loswerd. Zwu Mark gebts do immer for je­den. Un villeicht hot Tante Käddl aa noch koiner. Des wäre dann schun acht Mark. A net schlecht.

(Dieter Hassler)