An ihren Haufen sollt Ihr sie erkennen: Die unerkannte Invasion "neuer" Regenwürmer

Wenn sich ein bisher bei uns unerkanntes Tier oder eine Pflanze ausbreitet, dann fällt das nach einiger Zeit meistens auch dem Laien auf. Aber nicht immer!

 

Wir haben hier schon über die Invasion des Asiatischen Marienkäfers und der Bernstein-Waldschabe berichtet, aber andere Krabbeltiere wie die Amerikanische Kiefernwanze, die mit Autos und mit der Bahn reisende Südliche Eichenschrecke oder der gruselig erscheinende, nachtaktive "Spinnenläufer" sorgten genauso für Aufsehen.

Aber auch heimlich und unerkannt dringen neue Tiere und Pflanzen vor. Nicht immer ist das eine Folge des Klimawandels, sondern der Mensch sorgt für ihre Verbreitung. Gärtner, die immer mehr mit billig importierter Topfware aus Südeuropa handeln, bewirken gleichzeitig die rasche Verbreitung unter anderem von Rotbraunem Sauerklee, Neuseeländischem Schaumkraut und Reisfeld-Schaumkraut.

Ein besonderer Fall von heimlicher Invasion ist der Schwarzkopf-Regenwurm (Aporrectodea nocturna). Das ist eine in Südwesteuropa heimische Regenwurm-Art, die sich in den letzten Jahrzehnten langsam nach Nordosten ausgebreitet hat und seit einigen Jahren die Schweiz, Österreich und Süddeutschland erreicht hat. Es liegt nahe, dass seine Verschleppung mit Gartenerde und Straßenabraum stattgefunden hat.

Wie ist das überhaupt aufgefallen? Unsere über 60 Regenwurm-Arten in Deutschland sind nur für Spezialisten bestimmbar, und von letzteren gibt es nur sehr wenige. Aber der Schwarzkopf-Regenwurm hat eine auffällige Eigenschaft: er produziert ungewöhnlich große Kothaufen! Warum er das tut, ist interessant: die anderen Regenwürmer benutzen die eingezogenen Keimlinge und Blattstücke zum Auskleiden der Röhren und deponieren sie damit unter der Oberfläche. Der Schwarzkopf-Regenwurm scheint dagegen das schwer verdauliche Laub an der Oberfläche zum nachträglichen Kompostieren, also zur Vorverdauung abzulagern. Die resultierenden Kothaufen sind beeindruckend, und an Stellen mit viel Regenwurm-Besatz kann es sogar zu Problemen kommen. Hohla (2021) berichtet über starke Verunreinigungen auf einem Fußballplatz, und in der Schweiz wurde vielfach berichtet, dass auf "befallenen" Weiden durch den Schlamm und Lehm sogar Traktoren ins Rutschen kommen können! Eine kurze Recherche im Internet nach "Schwarzkopf-Regenwurm" bringt viele solche Anekdoten zu Tage.

Der Verfasser selber war sich dieses Phänomens nicht bewusst, aber schon vor 10 - 15 Jahren fielen mir zunehmend imposante Kothaufen im heimischen Rasen auf. Das wurde zunächst auf den guten Ernährungszustand des Rasens durch die hausfräuliche Pflege und entsprechend glückliche Regenwürmer geschoben. Erst jetzt ist klar, dass der Schwarzkopf-Regenwurm schon Jahrzehnte auch in Bruchsal heimisch sein muss...

Ist das alles ein Grund zur Besorgnis oder sogar zur Bekämpfung? Keinesfalls. Auch der Schwarzkopf-Regenwurm ist nützlich und sorgt vermutlich sogar für stärkere vertikale Durchmischung und Belüftung des Bodens. Eine Bekämpfung wäre außerdem unmöglich, ohne alle anderen Bodenorganismen zu schädigen. Ausnahmsweise scheint der Mensch also einmal eine nützliche Art ohne weitere Nebenwirkungen eingeschleppt zu haben - die paar Kothaufen auf unseren Fußballplätzen werden wir tolerieren können.

 

 

Also achten Sie einmal auf Ihren Rasen und auf die Parks in der Nachbarschaft. Die Würmer sind am Kompostieren!

 

Literatur: Hohla, Michael (2021): Der Schwarzkopfregenwurm (Aporrectodea nocturna) in Oberösterreich - das "Schwarze Schaf" unter den Regenwürmern? - ÖKO-L 43(1): 26-35. [Mit vielen weiteren Details.]

 

Wir bedanken uns bei Michael Hohla für die Bildlizenzen und den wunderbaren Artikel über ein bemerkenswertes Ergebnis aufmerksamer Naturbeobachtung!